"Abge..." - das war so ein geflügeltes Wort
aus der Bundeswehrzeit, die ich in Borken, das ganz in der
Nähe von Drevenack und Schermbeck liegt, verbringen
musste. Hier sind wir mit dem Auto verreckt, hier gab es
unblutige und blutige Unfälle, hier ist mancher bei
irgendwelchen Märschen eingebrochen. Im Nachhinein
frage ich mich, warum ich überhaupt hier laufen wollte.
Die Grund dafür war: Ich wollte 3 Wochen nach dem Marathon
ein eventuelles Formhoch für eine neue persönliche
Bestzeit auf einer windstillen, flachen Strecke nutzen.
Dummerweise war dieses Wochenende aber eines der verregnetsten
und stürmischsten seit langer Zeit. Zudem: Schon auf
der Hinfahrt zwang uns das Autobahnkreuz Kaiserberg zu zweimaligen
Umwegen von 20 Kilometern - Riesenbaustelle mit Sperrungen.
Wir kamen einfach nicht mehr aus Duisburg raus. Mein Hals
war entsprechend dick. Ich bin mir sicher, sogar in Angola
sind die Ausschilderungen für solche Fälle besser.
Sollte das ein Zeichen sein?
Trotzdem schafften wir es noch rechtzeitig in Schermbeck
anzukommen. Die Gegend ist zweifellos schön grün,
viel Wald, was wegen des Windes schonmal vorteilhaft erschien.
Rechtzeitig schaffte ich die Nachmeldung und es blieben
noch 30 Minuten bis zum Start. Beim Warmlaufen merkte ich
dann allerdings schnell, woher der Wind blies, vor allem,
wie stark er blies - ups ... Na ja, da war ja noch der Wald.
Der Startschuss fällt pünklich um 10:30 Uhr und
etwa 180 Läuferinnen und Läufer legen los - also
ein wirklich kleiner Lauf und das sollte bezüglich
der Bestzeitidee Nachteile haben. Ein junger Mann neben
mir schießt wie von der Tarantel gestochen los, dazu
noch der spätere Gewinner Z. Komowski, den ich schon
auf der Rechnung hatte. Schon nach 150 Metern jedoch stellt
sich heraus, keiner von uns will so richtig führen,
denn jetzt kommt erstmal ein Stück heftiger Gegenwind.
Der junge Läufer hatte wohl Hummeln im Hintern und
gab Gummi, ich sortiere mich auf 3 ein. Dann Verwirrung,
leider fehlt ein Streckenposten, zum Glück weiß
Komowski, wo es langgeht und weist den Hummelläufer
vorne ein. Nach 500 Metern liegen wir 3 dann schon ca. 30
Meter vor dem 4. Läufer. Inzwischen hat Komowski die
Führung übernommen. Schon hier merke ich, das
mit der Superkompensation und dem Formhoch 2 bis 3 Wochen
nach dem Marathon trifft für mich nicht zu und das
wird ein harter Lauf werden.
Kilometer 1 passieren wir in 3:34 min - für soviel
Wind, wahrscheinlich sogar zu schnell. Komowski setzt sich
jetzt langsam ab, der Junge mit den Hummeln im Hintern schnauft
inzwischen wie ein Lokomotive und mir ist klar, der macht
es nicht mehr lange. Der 2. Kilometer wird uns dann in 3:58
min verblasen, aber jetzt bin ich den jungen Mann los. Dafür
kommt wie aus dem Nichts ein Läufer von hinten und
geht an mir vorbei. Noch eine Überraschung: Schon auf
den ersten 3 Kilometern stellte sich heraus, die Strecke
ist überhaupt nicht flach, sie steigt die ganze Zeit
unmerklich an. Nach ca. 3,5 km verschwinden wir für
ca. 5 km im Wald. Und wieder eine Überraschung: Hier
ist gar kein Asphalt, sondern holpriger Waldboden. Der Wind
spielt dafür jetzt keine Rolle mehr. Und was ist das?
Da geht es ja richtig runter! Mist, das müssen wir
auch wieder rauf. Die Bestzeitträume verflüchtigen
sich spätestens bei KM 5. 19:09 min sind indiskutabel.
Inzwischen bin ich so alleine, kein Mensch im Wald, vor
mir niemand, hinter mir dürfte auch keiner sein. Wo
bin ich eigentlich? Nur Pfeile auf dem Boden weisen ab und
zu den Weg. Keiner, der einen zieht, keiner der von hinten
drückt und wenn ich falsch abbiege ... ist hier nicht
irgendwo der berühmte Dämmerwald? Ab ca. KM 7
wird die Strecke wieder gerade und weit vor mir sehe ich
Platz 2 und 1. Umschauen werde ich mich nicht, aber da ist
bestimmt für 100 Meter kein Mensch. Auf den letzten
3 Kilometern versuche ich mal etwas zu drücken, aber
so ganz ohne Gegner kommt da nicht viel bei raus. Als 3.
von ca. 140 Männern laufe ich ins Ziel. Die Zeit von
38:36 min ist nicht das, was ich wollte - den Marathon vor
3 Wochen konnte ich wohl nicht nutzen.
Heute war nicht mein Tag und ich habe auch wieder etwas
gelernt: Vermeintlich flach, muss nicht flach sein - wo
Wald ist, da ist auch Waldboden - und vor allem, wer Bestzeit
laufen will, der sollte sich ein Rennen suchen, bei dem
es genügend Zug- und Druckläufer gibt.
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